Autorentraum: Das eigene Hörbuch. Einige Überlegungen.


Es ist eine Verlockung, für jeden Autor: den eigenen Text als Audioversion umsetzen. Schließlich sind die Möglichkeiten zur Aufnahme heute (scheinbar) denkbar einfach. Abspielgeräte liegen in Form von Handys, Tablets oder MP3-Playern ebenfalls massenhaft vor. Also, schnell Text einsprechen und auf neue Umsätze hoffen? Hier ein paar unsortierte Überlegungen für Indies und Autoren bei Kleinverlagen. Nicht umfassend, aber eventuell hilfreich, bevor der Record-Button gedrückt wird.

Ist mein Text überhaupt für ein Hörbuch geeignet?

„Natürlich, was soll die Frage?“, mag jetzt der eine oder andere Autor denken. Aber stimmt das? Einige Hörbücher werden in einer überarbeiteten Fassung produziert. Zum Beispiel, wenn ein Text zu lang ist. Ein kürzeres Hörbuch bedeutet weniger Audio-CDs (wenn diese geplant sind) und beansprucht weniger Aufnahme- und Überarbeitungszeit im Tonstudio. Die Einsprechzeit des oder der Sprecher ist ebenfalls kürzer. Das alles reduziert die Produktionskosten.

Überarbeitungen finden aber auch aus dramaturgischen Gründen statt. Zum Beispiel wenn die Handlung komplex ist oder die Kapitel sehr lang sind. Hier lohnt sich für ein besseres Hörerverständnis eine Vereinfachung. Die vom Autor gewählte Sprache kann ebenfalls eine Herausforderung bei der Audioversion sein. Ein durchgängig in mittelalterlicher Sprache verfasster Text beispielsweise kann auf Dauer recht anstrengend sein. Für den Hörer und den Sprecher. Am besten auf eine alte Schreibregel zurückgreifen und den eigenen Text laut vorlesen. Klappt das flüssig über mehrere Seiten? Versteht der Testhörer die Handlung? Zwei Mal ja? Dann kann´s losgehen.

Wie findet man einen Sprecher?

Der Erfolg eines Hörbuches hat unter anderem zwei Komponenten: Erstens muss der Text interessant geschrieben sein und ein gewisses Unterhaltungs- oder Informationsbedürfnis befriedigen. Stichworte Relevanz und Zielgruppen-Fit. Zweitens braucht es einen Sprecher, der den Text so vorlesen kann, dass die Geschichte davon profitiert. Bisweilen kann ein starker Sprecher einen schwachen Text auf ein anderes Niveau heben. Manchen Sprechern hört man einfach gerne zu, auch wenn der Inhalt nicht der spannendste ist. David Nathan zum Beispiel. Aber auch Christoph Maria Herbst hat es geschafft, ein Hörbuch mit Texten des BGB zu produzieren. In jedem Fall ist die Auswahl des richtigen Sprechers nicht zu unterschätzen.

Scheidet ein bekannter oder professioneller Sprecher aus, dann schauen Autoren gerne im Bekanntenkreis. Sie suchen jemanden mit einer schönen Vorlese-Stimme, der das Hörbuch am besten in einem ruhigen Raum auf Pad oder PC einspricht. Das kann man natürlich so machen. Das Ergebnis wird aber oft unzureichend sein, bzw. wird man hören, dass die Produktion „hausgemacht“ ist. Gegen professionell in einem Tonstudio produzierte Hörbücher werden es diese Angebote immer schwer haben. Ähnlich wie ein mit Power Point selbst gestaltetes Buchcover kaum mit einem Cover mithalten kann, das ein versierter Art Director designet hat. Beim Hörbuch ist das doppelt schlimm. Hörer, die ein (günstiges) Indie-Hörbuch erwerben, das ihnen nicht gefällt, schalten schnell ab. Und das bedeutet leider auch keine Rezension oder vielleicht sogar eine schlechte. Daher lohnt es sich, nach Menschen zu suchen, die zumindest professionell mit ihrer Stimme arbeiten. Das können zum Beispiel Studenten einer Schauspielschule sein, die über jeden noch so kleinen Job froh sind. Oder man schaut bei Xing oder LinkedIn. Hier finden sich Theater- oder Filmschauspieler oder Sprecher aus der zweiten Reihe. Ebenfalls lohnt es sich, ein kleines Tonstudio mit Sprecherkabine anzumieten. Die professionelle Betreuung dort zahlt sich in einer besseren Qualität aus. Um die Kosten zu senken, kann man kreativ werden: Tonstudio oder Sprecher werden im Hörbuch und auf dem eigenen Blog mit ihren Kontaktdaten beworben und natürlich im Hörbuch genannt. Eventuell gibt es Texte, die Sprecher oder Tonstudio brauchen und die der Autor im Tausch liefert. Oder man vereinbart eine geringe Umsatzbeteiligung für das Hörbuch.

Braucht man einen Wording-Guide?

Eine Guideline für die Aussprache von Namen, Personen, Orten Firmen etc. im Buch kann die Arbeit für den Sprecher erleichtern. Sind besondere Betonungen vorgesehen? Oder wird zum Beispiel ein „C“ am Namensanfang wie „K“ gesprochen? Anglizismen im breiten Amerikanisch einlesen oder werden sie an das phonologische System der deutschen Sprache angepasst? Und was ist mit direkter Rede und Dialogen? Werden sie in der normalen Lesestimme des Sprechers vorgetragen oder gibt er den Personen eine eigene Stimme? Hinweise wie diese können viele Fragen, die während der Aufnahme auftauchen, schnell beantworten. Wieder Zeit gespart.

Wie kommt der Hörer zum Buch?

Das eigene Hörbuch bewirbt man natürlich auf der eigenen Website und seinen Social Media Kanälen. Wie man mit seinen MP3-Files in die relevanten Online-Shops kommt, steht bereits im Ansatz bei selfpublisherbibel.de Ebenso wird dort eine Einschätzung der Verdienstmöglichkeiten gegeben. Selbstverständlich kann man sich relevante Hörbuchblogs suchen und diesen ein Gratisexemplar zur Verfügung stellen, um die Rezi-Maschine anzukurbeln.

Also? Was tun?

Die Umsatzanteile für Hörbücher am deutschen Buchmarkt lagen zwischen 2011 bis 2015 knapp unter 4%. 2016 waren 12% aller im Netzt heruntergeladenen Audiodateien Hörbücher oder Hörspiele.

Schon diese wenigen Zahlen zeigen, dass der Hörbuchmarkt, verglichen mit dem gängigen Buchmarkt, klein ist. Und damit heiß umkämpft. Auch wenn das Hörbuch in Situationen zum Einsatz kommt, in denen Lesen nicht möglich ist, zum Beispiel beim Autofahren oder Joggen. Das Angebot für Hörbuchfans ist heute groß. Firmen wie Audible oder Thalia bieten Abo-Modelle und eine riesige Auswahl. Dazu kommen Hörbücher, die es kostenlos gibt, zum Beispiel bei vorleser.net Vor diesem Hintergrund sollte man zunächst sicherstellen, dass der Vertrieb des eigenen Hörbuchs über die großen bekannten Plattformen möglich ist. Zweitens sollte die Qualität des Hörbuchs dem Vergleich mit den professionell produzierten Angeboten auf den Plattformen Stand halten. Dies gilt auch für den Preis! Das eigene Hörbuch wird nicht verramscht. Vielmehr ist es ein Prestigeobjekt, das dazu beitragen kann, die Qualität des eigenen Buches zu unterstreichen und das Renommee des Autors auszubauen.

Als ein Schritt auf dem Weg zum eigenen Hörbuch, ist zunächst auch ein Test möglich. Man lässt fünf bis zehn Minuten einsprechen, teilt diese Gratis-Probe in den eigenen Kanälen und beobachtet die Reaktionen.

Feedback und weiterer Input zum Thema sind willkommen.

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