Tyll. Daniel Kehlmann.


Wer kennt ihn nicht, den Till Eulenspiegel, der auf dem Seil tanzt und ein ganzes Dorf dazu bringt, sich mit Schuhen zu bewerfen. Den Spaßmacher mit seinen Eulen und Meerkatzen. Daniel Kehlmann hat diese märchenhafte und im 20. Jahrhundert weichgezeichnete Figur ernst genommen – und in einem historischen Kontext überraschend modern erzählt.

Es ist zum einen die Geschichte des jungen, phantasiebegabten Tyll Uhlenspiegel, der als Müllerssohn in einem kleinen Dorf aufwächst. Da sein Vater mit der Wissenschaft flirtet und dafür zum Tode verurteilt wird, flieht Tyll mit Bäckerstochter Nele. Sie kommen bei Gauklern unter und landen später im kleinen Hofstaat des böhmischen Winterkönigs Friedrich V. Doch Tylls Werdegang wird mit vielen Abzweigungen erzählt. Denn es ist zum anderen die Geschichte des 30-jährigen Krieges und seiner kleinen und großen Akteure. Wunderbar sind zum Beispiel einzelne Anführer herausgearbeitet, besonders hervorzuheben: der managerhafte Schwedenkönig Karl Gustav II. Sprachlich meisterhaft auch die zeitgenössischen Milieuschilderungen. Endlich mal ein Hörbuch bei dem man riecht, wie Menschen, Tiere und ihre Ausscheidungen oder Kadaver stinken. Kopfkino!

Insgesamt für den historisch Interessierten eine lohnende Sache, sehr zum Hören empfohlen, auch dank des herrlichen Dialekte-Jongleurs Ulrich Nothen.

2017. Argon Verlag. Spieldauer: 11 Std. und 16 Min.

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