Herbstblond. Thomas Gottschalk.


Man kann von Thomas Gottschalk halten was man will – er war und bleibt einer der großen Entertainer der deutschen Medienlandschaft. Ja, er ist selbstverliebt, nimmt sich wichtig und produziert(e) nichts, was als Hochkultur durchgehen könnte. Das sagt er von sich selbst, nicht ohne hinzuzufügen, dass solche Züge mitbringen muss, wer dauerhaft im Rampenlicht stehen möchte. Und das wollte „Tommy“ immer. Ob man ihn nun mag oder nicht, seine Karriere und seine Leistungen sind zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen. Erstaunlich offen, reflektiert und wenig selbstprahlerisch gelingt dies Gottschalk in Herbstblond.

Das Buch/Hörbuch ist im ersten Teil chronologisch angelegt. Gottschalk arbeitet seine verschiedenen Stationen (Kindheit, Schule, Bayerischer Rundfunk, ARD Fernsehen, ZDF, Na so was!, Wetten dass …) ab und gibt dabei spannende Einblicke in sein Seelenleben. Dazu bietet er aufschlussreiche Hintergründe über das deutsche Mediensystem und seine Akteure. Der Mann schreibt sich ein hohes Sendungsbewusstsein zu. Zum Beispiel war es seine Mission, moderne U-Musik, also Rock- und Popmusik, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk publik zu machen. Weil er selbst davon fasziniert war und wusste, dass es vielen Gleichaltrigen in der 1960ern und 1970ern genauso ging. Und weil es das einfach nicht gab, von Radio Luxemburg einmal abgesehen. Besonders gut stellt Gottschalk seine Moderations-Philosophie dar. Ihm ging es immer nur um den Zuhörer/Zuschauer und seine Aufgabe war stets diesen zu unterhalten – mehr nicht. Dass dies im schwerfälligen öffentlich-rechtlichen Apparat des letzten Jahrhunderts schwierig war, arbeitet er hervorragend heraus. Ebenso, dass das Feuilleton seine Haltung oft genug missbilligt und gegen ihn verwendet hat. Im zweiten Teil beleuchtet Gottschalk verschiedene Felder wie Geld oder Ruhm, mit denen sich ein Prominenter wie er auseinandersetzen muss. Auch dies ist aufschlussreich, informativ und an vielen Stellen äußerst unterhaltsam.

Thomas Gottschalk hat über Jahrzehnte den deutschen Unterhaltungsapparat mitgeprägt. Er ist ein Top-Kreativer der Branche, den auch seine (zahlreichen) Fehlschläge nicht aufhalten konnten. Natürlich war seine große Sendung „Wetten dass …“. Und er selbst vermutet, dass er immer mit dieser Erfindung Frank Elstners verbunden werden wird. Das Buch/Hörbuch durchzieht eine gewisse Nachdenklichkeit. War es das schon? Muss es das schon gewesen sein, weil ein Typ wie er nicht mehr in das schnell-lebige Mediengeschäft des 21. Jahrhunderts passt?

Herbstblond ist ein überraschend authentischer Titel. Zu empfehlen für jeden Fan von Thomas Gottschalk. Auch alle Interessierten an deutscher Medien-und Rundfunkgeschichte finden hier wertvolle Informationen eines Top-Insiders und Zeitzeugen, zum Beispiel über das Unterhaltungsradio beim Bayerischen Rundfunk in den 1970ern. Umso mehr ist es schade, dass das Hörbuch gekürzt wurde. Wer Detailtiefe und einfach mehr Hintergründe aus der Promi-Welt des Thomas Gottschalk will, sollte zum Buch greifen. Sprecher im Hörbuch ist Gottschalk selbst.

Random House Audio. April 2015. Gekürztes Hörbuch. 4 Std. und 33 Min.

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